«Wie kann ich signifikante Einblicke in meine Lebensrealität geben und sie so mit Humor versehen, dass ich auch Menschen erreiche, die ganz anders leben als ich?» Diese Frage stellte sich die queere, indische Trans-Performerin Living Smile Vidya zu Beginn ihrer Arbeit an diesem Stück. Heute ist klar, was sie sich vorgenommen hat, und es ist ihr gelungen – scheinbar mühelos. Auch dass sich ihre Kunst hauptsächlich aus ihrem Körper ableite, aus dessen komischen und dramatischen Potential, ist eindrücklich nachvollziehbar. Selten ist man von einer mit einem Körper über einen Körper erzählten Geschichte so weit von sich weggeführt worden und hat trotzdem so viel Nähe dazu empfunden. Selten hat man einen Körper im Theater auf so intime Weise gleichzeitig verlacht, beweint und verehrt.
Smiley ist Künstlerin und Aktivistin, sie war es längst, als sie vor sechs Jahren aus Not beschloss, in die Schweiz zu fliehen. Als die erste queere Trans-Künstlerin des Staates Tamil Nadu in Südindien, die ihren Namen und ihr Geschlecht änderte und das öffentlich zum Thema machte, war sie eine Heldin und ein Star für die einen und eine unglaubliche Provokation für die anderen. Sie wurde abgestraft, im Netz gemobbt und angegriffen. Sichtbar, aber unsichtbar fühlte sie sich in diesem Staat, für den sie zwar Steuern entrichten musste, der ihr aber keine Rechte zugestand, und der sie aus der Öffentlichkeit verbannen wollte. Als queere Aktivistin schickte Smiley ihrer Regierung eine Botschaft, in der sie um einen Gnadentod bat, denn es gäbe für sie ohne zu stehlen oder sich zu prostituieren keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. «Ich habe nicht um Flügel zum Fliegen gebeten, nicht um einen Palast oder einen Kniefall der Nation – sondern einfach nur um eine Option, meine Rechnungen bezahlen zu können, ohne dafür meine Würde zu verlieren».
In ihrem Abend erzählt Smiley aber nicht nur die Geschichte ihrer indischen Vergangenheit, sondern auch die ihrer ernüchternden Ankunft in den Auffangzentren und Asylheimen der Schweiz. Sie erzählt von der Schwierigkeit, hier als Künstlerin Fuss zu fassen und auch formal-administrativ zu dem vollwertigen Mitglied der Schweizer Gesellschaft zu werden, das sie ja bereits ist. So ist «Introducing Living Smile Vidya» von ihr auch ganz wörtlich als eine «theatrale Businesscard» gemeint, mit der sie sich der Schweizer Theaterlandschaft als aktiv Teilnehmende vorstellt, die hier, als Mensch und als Künstlerin, ein Leben in Würde führen möchte.
– Julie Paucker